Kulturtage der Schwerhörigen in Thüringen

 
 
 
 
 
 

Auf Initiative des Landesverbandes Thüringen und Sachsen-Anhalt in Mitteldeutschland wurden in der Zeit vom 17. Bis 19. November 2023 die Kulturtage der Schwerhörigen in Thüringen durchgeführt. Der Einladung folgten eine große Zahl der Mitglieder aus den Selbsthilfegruppen des Landesverbands und aus dem Ortsverein Weimar. Als Gäste konnten wir auch eine Selbsthilfegruppe aus dem Kyffhäuserkreis in unserer Mitte begrüßen. Die Veranstaltungen fanden zum großen Teil in den Räumlichkeiten des Ortsvereins Weimar im „Haus des Miteinander Hörens“ statt und war von einer Vielzahl von Höhepunkten geprägt.

Detlev Schilling, Vorsitzender des Landesverbands, eröffnete die Kulturtage am Freitag, den 17. November 2023 um 15.00 Uhr im „Haus des Miteinander Hörens“ mit einem „Kultur – Erzähl – Café“. Bei Kaffee und Kuchen lauschten die Teilnehmer den Vorträgen von Irene Birkfeld, Mitglied der Schreibwerkstatt Weimar Nord, Detlev Schilling, Volkmar Fritzsche und Lutz Krause zu verschiedenen Themen.
Frau Irene Birkfeld las Passagen aus der Veröffentlichung des Vereins Bürgertreff Weimar Nord e.V. „Blicke durch’ s Schlüsselloch“ – Geschichten und Gedichte aus der Schreibwerkstatt Weimar Nord. Es handelt sich hierbei um eine Broschüre mit einer Auswahl von Texten anlässlich des 10jährigen Jubiläums der Schreibwerkstatt.

Hier nur eine kleine Leseprobe:

Winterbeginn – Irene Birkfeld

Das Jahr geht zur Neige.
Blattlos schwanken die Zweige
der Bäume im rauen Novemberwind.
Die Igel haben sich schon seit Wochen
in schützende Laubberge verkrochen,
wo sie vor Kälte sicher sind.

Mag es draußen auch toben und stürmen,
sich Schneeberge meterhoch türmen,
wir genießen die Zeit mit allen Sinnen.
Düfte und Klänge und Festtagsessen
lassen und die trüben Tage vergessen
und uns Träume vom Sommerglück spinnen.

Der Abend wurde mit einem Besuch des Deutschen Nationaltheaters Weimar gekrönt. Wir erlebten gemeinsam die Aufführung des Musiktheaters „DAS BALLHAUS – LE BAL“ nach einer Idee Théatre du Campagnol. Den Stoff zur Handlung gab die wechselvolle Geschichte von „Klärchens Ballhaus“ in Berlin.
„Le Bal“ ist eine berühmte französische Tanzshow, die von dem Choreografen Jean-Claude Penchenat entwickelt wurde. Diese Aufführung wurde erstmals 1981 ins Leben gerufen und ist seitdem ein beliebtes Tanztheaterstück.
„Le Bal“ ist ein Stück ohne Worte, das die Geschichte eines Tanzsaals über mehrere Jahrzehnte hinweg erzählt. Es zeigt die Veränderungen der Gesellschaft, Mode und Musik von den 1930er Jahren bis zur Gegenwart, indem verschiedene Tanzstile und -epochen dargestellt werden.
Die Aufführung zeichnet sich durch ihre beeindruckenden choreografischen Darbietungen, die Vielfalt der Tänze und die kreative Art und Weise aus, wie sie die soziale Entwicklung und kulturellen Veränderungen im Laufe der Zeit darstellt. „Le Bal“ wird oft für seine eindrucksvolle Inszenierung und seine Fähigkeit gelobt, das Publikum in eine zeitliche Reise durch Tanz und Geschichte mitzunehmen.

Der Samstag, 18. November 2023 begann um 10.00 Uhr mit einer Vernissage.
Gezeigt wurden Gemälde von Karin Hiob, Karin Krause, Veronika Linser, Ulrike Odunku, Kerstin Wlodkowsky, Matthias Hofmann und Detlev Schilling, Mitgliedern des Kreativkurses, mit verschiedenen Maltechniken. Die Mitglieder treffen sich regelmäßig in den Räumen im „Haus des Miteinander Hörens“ zum gemeinsamen Malen und zum Austausch.
Als Auslagen auf einigen Tischen waren Handarbeiten u.a. von Mitgliedern der Selbsthilfegruppe Arnstadt und Ilmkreis, Klöppelarbeiten von Roswita Erz und in einer Glasvitrine Keramikarbeiten von Bertrun Ehrlich-Hofmann zu sehen.
Im Vorraum konnte man Fotografien von Dietmar Erz, Veronika Linser, Jörg Henke, Lutz und Karin Krause, Mitglieder der Selbsthilfegruppe Fotografie und digitale Medien, betrachten.
Im Außenbereich auf der Terrasse waren kreativ gestaltete Wichtel der Selbsthilfegruppe Natur und Heilen ausgestellt.
Die Veranstaltung war sehr gut besucht. Die Exponate wurden mit großem Interesse betrachtet. Der eine oder andere Besucher konnte bestimmt Anregungen für die eigene Freizeitgestaltung mitnehmen.

Alles in Allem kann man sagen, dass sich unsere Hörgeschädigten nicht zurückziehen und Trübsal blasen, sondern sich aktiv betätigen und mit beiden Beinen im Leben stehen. Das Vereinsleben und vor allem auch das Projekt „Gemeinsam ohne Einsam“ trägt dazu bei, die Lebensfreude zu erhöhen.

Nach einem gemeinsamen Imbiss und guten Gesprächen ging es fast nahtlos zum „Café Inklusiv“ über. Das Thema lautete: „Geschichten aus dem Leben“.
Bei Kaffee und Kuchen erzählte Detlev Schilling aus eigener Erfahrung als Selbstbetroffener im Umgang mit gut Hörenden einige Episoden aus seinem Leben. Dem schlossen sich Beiträge von Susanne Fabisch, Ulrike Odunku und Susanne Littke an. Auch sie berichteten über Erlebnisse aus der Vergangenheit, die sie insbesondere auch im Hinblick auf ihren hohen Grad der Hörschädigung und der Versorgung mit Cochlea Implantaten hatten und mit welchen Problemen im Alltag sie teilweise konfrontiert wurden und werden.

Auch an die sportliche Betätigung wurde gedacht und ein Bowlingabend im Weimarer Atrium organisiert. Beim gemeinsamen Bowling und anschließendem Abendessen verging die Zeit wie im Flug.

Kultureller Abschluss der Kulturtage war der Besuch des Museums „Neues Weimar“ am Sonntag, 19. November 2023 mit der Ausstellung „Eine unmögliche Ausstellung“ – Nietzsche privat.
Bei der barrierefreien Führung durch eine äußerst sachkundige Mitarbeiterin erfuhren wir viel Neues und Interessantes aus der Geschichte des Museums und seiner oft wechselnden Ausstellungen.
Das Museum Neues Weimar wurde zwischen 1869 und 1875 im Stil der Neorenaissance erbaut. Es wurde vom Architekten Henry van de Velde entworfen und war ursprünglich als Kunstmuseum geplant.
Das Gebäude des Museums wurde nicht direkt im Krieg zerstört, blieb aber nicht von den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs verschont. Während des Krieges erlitt das Museum einige Schäden durch Bombardierungen in der Umgebung. Glücklicherweise wurden viele der Kunstwerke und Artefakte rechtzeitig in Sicherheit gebracht, so dass die Sammlung größtenteils erhalten blieb.
Das Museum wurde der Öffentlichkeit bereits Ende des 19. Jahrhunderts zugänglich gemacht und beherbergte von Anfang an eine bedeutende Kunstsammlung. Seit seiner Gründung hat das Museum verschiedene Renovierungen und Restaurierungen durchlaufen, um die Sammlung zu erhalten und die Gebäudestruktur zu verbessern.
Heute ist das Museum Neues Weimar eine wichtige kulturelle Institution und ein Anziehungspunkt für Kunstliebhaber und Touristen aus der ganzen Welt. Es präsentiert eine breite Palette von Kunstwerken und Artefakten aus verschiedenen Epochen und bleibt ein bedeutendes kulturelles Erbe in Weimar.
Am Ende der Führung erwartete uns noch eine besondere Ausstellung über Nietzsche privat.
Friedrich Nietzsche war ein bedeutender deutscher Philosoph, Kulturkritiker, Philologe und Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Er wurde am 15. Oktober 1844 in Röcken, Preußen, geboren und verstarb am 25. August 1900 in Weimar.
„Erstmals ist die private Einrichtung von Friedrich Nietzsche und seiner Elisabeth Förster-Nietzsche zu sehen. Der desolate Zustand der Möbel spiegelt ihre wechselvolle Geschichte: Einst im Nietzsche-Archiv genutzt oder als Devotionalien verehrt, wurde sie zu DDR-Zeiten eingelagert und schließlich nahezu vergessen. …“
(Zitat, Auszug aus dem Museumsprospekt zur Ausstellung)

Damit ging ein vielseitiges und interessantes, von zahlreichen Höhepunkten geprägtes Kulturwochenende zur Neige. Wir danken allen Organisatoren und Helfern die diese Veranstaltung geplant, vorbereitet und durchgeführt haben. Unser besondere Dank gilt der AOK Plus und Sparkassenstiftung Weimar für die finanzielle Unterstützung.

Fotos: Stephanie Kühne-Grolle, Veronika Linser, Karin Krause, Lutz Krause, Dietmar Erz, Jörg Henke
Text: Lutz Krause
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